Die Erzählform des Buches gefällt mir sehr gut. Ich finde es zwar teilweise ziemlich schwierig zu lesen, doch sehr interessant. Das Mädchen schreibt bei dieser Erzählform häufig auch ihre Gedanken nieder, diese sind meistens auch nicht geordnet sondern verhalten sich eher nach diesem Schema. Um den Leser auch nicht zu verwirren, kommt sie nach einem Gedankensprung zurück in die Vergangenheit, immer wieder auf denselben Satz zurück, was mir sehr geholfen hat die Reihenfolge der Ereignisse zu verstehen.
Was den Titel des Buches betrifft habe ich viele Eindrücke erhalten. Zum Einen die Erfahrung die das Mädchen mit den Muscheln und ihren Geräuschen macht. Sie erwähnt dabei wie sehr es sie ekelt die Muscheln lebendig zu kochen und doch Andererseits findet sie es in Ordnung, das die Tiere gekocht werden. In einem gewissen Sinne wird auch die Familie vielleicht physisch vom Vater "gegessen" bzw. "unterdrückt". Zum Anderen die Schale der Muscheln, die nach Aussen sehr hart sind und für mich dabei die perfekte Familie gegen Aussen verkörpern, dagegen aber das Innere der Muscheln, das sehr weich ist und die Zerbrechlichkeit und Hilflosigkeit (dabei auch in Verbindung mit dem Kochen der Muscheln) der Familie symbolisiert.
Das Muschelessen war für den Vater etwas besonderes, obwohl sowohl Mutter als auch die Kinder nicht viel Wert darauf gelegt haben. Somit ist es auch Symbol für das besondere bzw. aussergewöhnliche Ereignis, das mit dem Essen in Verbindung steht.
Schockierend finde ich, das die Familie erst bei Abwesenheit des Vaters und vor allem erst als vieles nicht mehr nach Plan verläuft und die Routine, die sich die Familie in ihrem strikten Schema und Streben nach Perfektion angeeignet hat, zerfällt. Plötzlich steht ihnen die Zeit zum Nachdenken zur Verfügung und der Familie fällt auf, dass sehr vieles für sie nicht stimmt. Zum ersten Mal wird ihnen bewusst wie sehr sie vom Vater abhängig sind und wie sehr die Mühe, ihm zu gefallen und dem Bild der perfekten Familie gerecht zu werden, sie selbst ruiniert.
Ich habe mir auch einige Gedanken gemacht zu den Gründen, weshalb sich der Vater ein solches Bild der Familie vorstellt. Ich habe die Einstellung des Vaters in Verbindung mit der damaligen Zeit gesetzt, als Deutschland noch keine Einheit war. Die DDR war damals stark kontrolliert, deshalb stand vielleicht für den Vater die Kontrolle und der geregelte Ablauf seiner Familie im Zentrum. Die Suche und vor allem das Verlangen des Vaters nach der Wahrheit und das ewige bespitzeln (Petzen) erinnert mich sehr an die Stasi (vielleicht auch etwas weit hergeholt).
Im Grossen und ganzen gefällt mir das Buch ausserordentlich gut, obwohl ich anfangs sehr skeptisch war, vor allem Gegenüber dem Format. Ich hatte mir eher eine sehr "trockene" Geschichte vorgestellt und bin jetzt sehr positiv Überrascht.